Das «Goodwood Festival of Speed»: Das ist, wenn ein Wochenende lang Motoren heulen, der Geruch von Benzin und Öl in der Sommerluft hängt und am Ende ein Elektroauto neue Rekorde setzt. Auf jeden Fall ist der jährlich in Grossbritannien stattfindende Event eine einmalige Erfahrung – und «Techgarage» war vor Ort dabei, um etwas Rennluft zu schnappen und dabei herauszufinden, wie weit sich die Elektromobilität an einem so konservativen Motorsport-Anlass bereits etablieren konnte.
Goodwood: Treffen der Automobil-Historie
Dabei geht es Autotechnisch ja kaum traditioneller als an Goodwood: Hunderte Motorfahrzeuge – von klassischen Automobilen über Motorräder bis hin zu Lastwagen, Rennfahrzeugen und neu auch Elektroautos – werden auf das Privatgelände eines englischen Grafs – Lord March, Duke of Richmond – gebracht, um von tausenden Besuchern aus aller Welt bestaunt zu werden. Die meisten der anwesenden Fahrzeuge nehmen dann auch den «Goodwood Hill Climb» in Angriff: Eine Rennstrecke von 1.86 Kilometern und einer Steigung von knapp 5 Prozent.

Viele dieser Fahrzeuge werden von ihren Besitzern gar nur ein- bis zweimal jährlich fahrtüchtig aufbereitet – genau, um an diesem Festival mitfahren zu können. Die Begeisterung für Automobil-Geschichte ist hier nicht nur zum Greifen spürbar – selten kommt man diesen exklusiven Karossen so nahe wie an Goodwood. Zugegeben: Bei uns in der «Techgarage» liegt der Fokus doch mehr auf «Tech» als auf «Garage» – und trotzdem kommen wir nicht umhin, einfach entzückt zu sein, wenn wir an der Ausstellung an einem klassischen Aston Martin DB5 vorbeikommen oder die Formel-1-Rennwagen von Ferrari aus den Jahren 1998 – 2003 säuberlich nebeneinander aufgereiht sehen.
Von der Vergangenheit in die Zukunft: Honda E
Doch eigentlich sind wir nicht für die Geschichte des Automobils gekommen – sondern für die Zukunft. Am «Goodwood Festival of Speed» feiert nämlich eine Neuheit eine Weltpremiere: Erstmals können wir den Honda E, das kleine, elektrische Stadt-Auto, in voller Fahrt erleben – ein sogenanntes «Global Dynamic Debut».
Zur Erinnerung: Der Honda E hatte uns bereits am Autosalon in Genf mit seinem knuffigen Design entzückt. Damals – im März 2019 – schien es aber noch zu früh für Testfahrten zu sein. Erst jetzt rollt der kleine Stromer aus eigenem Antrieb über den Asphalt. Für jeden Autohersteller ist dies eine wichtige Wegmarke in der Entwicklung eines neuen Fahrzeugs.
Der Honda-Stand am Festival of Speed: Ganz elektrisch
Gross ist entsprechend auch das Besucherinteresse am Stand von Honda, der in einem futuristischen Design mit einem leichten Dreh auf die «Tron»-Ästhetik aus der gleichnamigen Filmreihe erstrahlt. Der ganze Stand ist auf die kommende Elektromobilität ausgerichtet und im oberen Stock dreht sich auf einem Podest der Honda E-Prototyp, den wir aus Genf kennen.
Durch einen glücklichen Zufall treffen wir am Stand noch auf Tomohiro Iiboshi, seines Zeichens Leitender Ingenieur und Mitglied des Honda PR-Stabs. Gerne nutzen wir die Chance, ihm ein paar Fragen zu seinem «Baby» zu stellen. Herr Iiboshi erklärt uns, der Honda E sei mittlerweile «zu 95%» finalisiert und dass wir das vorliegende Interieur mit seinen fünf Bildschirmen auch für die Serienversion erwarten können.
Nun wollen wir aber wissen: Können wir auch ganz nahe an den fahrenden Honda E ran? Dieser Wunsch soll uns gewährt werden und so werden wir von äusserst hilfreichen PR-Fachkräften von Honda an die «Docks» geführt, wo unser Objekt der Begierde für die nächste Rennrunde vorbereitet wird.
Honda E-Prototyp: Bitte nicht anfassen
Da steht er nun: Der kompakte Stadtflitzer, den Honda ins elektrische Rennen schicken möchte. Vor uns stehe einer von aktuell zwei fahrenden Prototypen, wird uns erklärt. Und während wir gebeten werden, das Auto bitte nicht anzufassen, erfahren wir von mitgereisten Journalisten, dass andere Publikationen zeitgleich zum Goodwood Festival an einem anderen Ort bereits erste Runden am Lenkrad des anderen fahrenden Prototypen unternehmen durften. Schade – zu gerne hätten wir selbst erfahren, wie sich der Stromer steuert. Hoffentlich dauert’s nicht zu lange, bis wir uns selber mal hinter das Lenkrad klemmen dürfen.
Anyway – wir konzentrieren uns auf das Modell, das hier vor uns steht. Im Gegensatz zur edlen Matt-Lackierung des statischen Prototypen im Honda-Stand strahlt uns dieses Modell hier in einer glänzenden, hell-weissen Farbe entgegen. Die Serienversion würde auch glänzend lackiert, wird uns erklärt.
Strom aus Wasserstoff und neue Technische Daten
Besonders stolz ist man bei Honda darauf, für die Aufladung des Honda E am Festival mit Siemens zusammenzuarbeiten. Siemens hat am Festival einige Ladesäulen für Elektroautos aufgestellt und stellt den Strom dafür aus Wasserstoff her, der in grossen Tanks hinter einer Absperrung gelagert wird. Der Wasserstoff sei aus erneuerbaren Energien hergestellt, erklären die Verantwortlichen weiter. Wir persönlich hätten ja an diesem sonnigen Wochenende auf die Kombination aus PV-Anlage mit Akkus als Zwischenspeicher gestellt, aber ja – viele Wege führen bekanntlich nach Rom. Oder zu vollen Auto-Akkus.
A propos Akku: Gerade wurde bekannt, dass im Honda E künftig ein 35-Kilowattstunden-Akku (KWh) verbaut sein wird, der das Fahrzeug rund 124 Meilen oder 200 Kilometer weit antreiben soll. Der verbaute Elektromotor soll rund 110KW oder 150 PS auf die Hinterachse bringen.
Erfreut waren wir beim Anblick einer «CCS»-Buchse, mit dem der Honda E ausgestattet ist. In Europa ist der «Combined Charging Standard» der neue De-Facto-Standard und erlaubt es, Elektroautos an diversen Ladesäulen aufzuladen. Innert 30 Minuten soll der Akku zu 80% geladen sein, verspricht der Hersteller.

Ebenfalls ein bemerkenswertes Detail sind die acht Kameras, die rund um den Honda E eingebaut sind. Sie sollen eine Rundum-Sicht beim Einparken in engen Stadt-Parkplätzen erlauben. Als weiteres Novum werden die Seitenspiegel aufgeführt, die beim Fahrzeug durch kleine Kameras ersetzt wurden. Diese Modifikation ist noch nicht lange für die Strasse zugelassen und Honda kann hier vorlegen. Der Verzicht auf klassische Seitenspiegel habe den Luftwiderstand in diesem Bereich des Fahrzeugs um 90% gesenkt – und damit die Reichweite erhöht.
Fazit: Der kleine Honda E kann nicht schnell genug kommen
Klein, fein, chic: Der Honda E hat definitiv das Zeug zum Publikumsliebling. Allerdings startet der japanische Hersteller, der vor allem durch seine Motorräder bekannt ist, mit einer «Zeitstrafe».
Erstaunlich, wie langsam die Mühlen bei Honda mahlen – denn besonders einzigartig in seiner technischen Umsetzung wirkt das Fahrzeug nicht. Vergleichbar vielleicht am ehesten mit dem Renault Zoé, der bereits seit 2012 auf europäischen Strassen rollt – dieser aber zu Preisen ab 25’000 Franken und einer Reichweite von 300 bis 400 Kilometern. Elektro-Platzhirsch Tesla hingegen liefert mittlerweile fast 100’000 Elektroautos pro Quartal aus, mit dem kompakteren Model 3 als Verkaufsschlager.
Der Honda E soll Ende 2019 in Serienproduktion gehen. Mit seiner limitierten Reichweite und einem bis dato noch unbekannten Preis wird er seinen Platz in den Herzen und Garagen hart ersprinten müssen. Und natürlich ist der Markt für Elektroautos erst am Anfang: Honda wird seinen Teil des Kuchens definitiv erhalten, denn andere etablierte Hersteller sind noch weiter im Hintertreffen. Der Honda E ist momentan unserer Ansicht nach «better late than never»: Aber beim Tempo, das die Konkurrenz anschlägt, würden wir uns zwei Jahre nach seiner ersten Vorstellung doch gerne mal auf eine Testfahrt mit dem knuffigen Kleinwagen begeben.
Elektro-Bonus: Ganz toll fanden wir übrigens den Auftritt eines Elektro-Motorrads von Siemens im «Chopper»-Stil. Der Prototyp sah aus wie aus einem alten Science-Fiction-Film entsprungen:
Hinweis: Diese Pressereise ans «Goodwood Festival of Speed» wurde auf Einladung von Honda ermöglicht. Für den Beitrag hat die «Techgarage» kein Geld erhalten, Honda ist aber für Kost und Logis der Reise aufgekommen.