Selten hat eine Aussage von Elon Musk für so viel Verwirrung gesorgt: Kürzlich hatte der Tesla-CEO auf Twitter publik gemacht, bald keine Elektroautos mehr verkaufen zu wollen – oder sie massiv teurer zu machen. Von den allermeisten Publikationen wurde diese Aussage völlig falsch verstanden und deshalb auch inkorrekt wiedergegeben.
Doch «Techgarage» ist hier, um beim Verständnis zu helfen: Was plant Elon Musk mit Tesla? Die Antwort liegt in der geplanten «Robotaxi-Flotte».
Warum will Tesla seine Autos massiv verteuern?
Erstens mal müssen wir verstehen: Die Aussage von Musk bedeutet nicht, dass Tesla nicht weiterhin (eine Menge) Elektroautos produzieren und auf die Strasse bringen will.
Vielmehr spricht die Ankündigung für eine Vision mit einem echten Paradigmenwechsel: Tesla steht für die Vision, dass in nicht allzu ferner Zukunft alle Autos elektrisch und zudem vollständig autonom unterwegs sind. Will heissen: Ein Auto braucht keinen Fahrer mehr, sondern findet selbständig den Weg von A nach B.
Damit einher kommt die Überzeugung, dass Autofahrer künftig gar kein Auto mehr selber besitzen möchten, sondern einfach per Smartphone-App eines herbeirufen, wenn sie irgenwohin fahren möchten. Ein bisschen wie «Uber» – einfach ohne den Fahrer am Lenkrad (dessen Zeit und Arbeit man bei «Uber» mitbezahlen muss).
Tesla-Besitzer können ihr Auto für andere freigeben
Dies würde zu einer «Roboter-Taxi-Flotte» führen, die sich selbständig auf den Strassen bewegt und Passagiere mitnimmt. Als Besitzer eines Tesla könnte man sein Auto in der Zeit, in der man es nicht selber nutzt, für andere Passagiere freigeben. Anstatt dass das eigene Auto also 23 von 24 Stunden am Tag ungenutzt stillsteht – das bedeutet rund 96% «Downtime», für Ökonomen ein absoluter Horror – könnte das eigene Elektroauto also stattdessen selbständig auf «Kundensuche» gehen und seinem Besitzer mit den absolvierten Passagierfahrten Geld in die Kasse spülen.
Nicht nur für Tesla-Besitzer ist dieses Geschäftsmodell lukrativ: Auch der Autohersteller selbst könnte seine Karossen damit vergolden. Sobald die Autonomie soweit fortgeschritten ist, dass dieser «Robotaxi»-Plan greift, plant Tesla gar, bestehende Tesla-Fahrzeuge von Kunden zurückzukaufen.
Warum Tesla bestehende Fahrzeuge zurückkaufen will
Der Grund hier: Anstatt einem Kunden ein Auto für 40’000 bis 120’000 US-Dollar zu verkaufen (Model 3 bis Model X), könnte die Firma eine eigene Flotte von Fahrzeugen halten und diese autonom als Taxidienst rumkurven lassen. In einer ersten Hochrechnung von Tesla würde so ein autonomes Taxi abzüglich aller Aufwände jährlich rund 30’000 Dollar an Gewinn einfahren. Bei einer geschätzten Lebensdauer von 11 Jahren und über einer Million Kilometer würde dies pro Fahrzeug einen Ertrag von 330’000 Dollar bedeuten.
Tesla hätte also die Wahl, mit einem verkauften Model 3 sofort 10’000 Dollar zu verdienen (Gewinnmarge: 25% des Verkaufspreises) – oder damit über 11 Jahre das Zigfache einzuspielen, was eine Traum-Rendite bedeuten würde und Tesla jegliche Motivation nimmt, die Autos zu diesem «tiefen» Einstandspreis zu verkaufen. Aus diesem Grund erfolgt nun das Gedankenspiel von Musk, Tesla-Fahrzeuge künftig deutlich zu verteuern oder dann gar nicht mehr zu verkaufen: Warum auch auf künftige Einnahmen verzichten?
To be clear, consumers will still be able to buy a Tesla, but the clearing price will rise significantly, as a fully autonomous car that can function as a robotaxi is several times more valuable than a non-autonomous car
— Elon Musk (@elonmusk) July 8, 2019
Dies ist übrigens kein «Schnellschuss» von Musk: Diese Strategie wurde bereits seit Jahren im Rahmen des «Tesla Masterplan Part 1 & 2» so definiert und kommuniziert.
Ab wann werden Teslas unerschwinglich?
Noch sollten potenzielle Tesla-Kunden ihre Hysterie im Zaum halten: Der «Autopilot 2» in den Autos kommt zwar gut voran, aber weder technisch noch rechtlich sind vollständig autonome Autos derzeit umsetzbar. Bis Musks «Robo-Taxi-Flotte» richtig rollt, werden noch Jahre vergehen (Techgarage-Schätzung: 2022 wird’s etwa soweit sein). Technisch entwickelt sich der Tesla-Autopilot mit jeder Fahrt weiter, da alle Autos drahtlos miteinander verbunden sind und Daten auswerten. Die Legislatur ist in einigen Gebieten schon ziemlich weit: Googles Waymo darf jetzt Passagiere in selbstfahrenden Autos chauffieren.
Zudem ist Musk als grandioser Salesman selbst mit der Taktik vertraut, potenzielle Kunden mit «limitierten Angeboten» zu einem schnellen Kaufentscheid zu verlocken. Die Aussicht, dass der Preis eines Tesla bald schon steigen könnte, bewegt eventuell einige Untentschlossene dazu, jetzt schon den «Kaufen»-Knopf zu drücken.