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Tesla Model 3 im Langstrecken-Test: Wie weit kommt das Elektro-Auto mit Autopilot und Supercharger?

Tesla-Model-3-Main-Techgarage

Die «Techgarage» macht den Tesla Model 3 Langstrecken-Test: Wie gut fährt es sich mit dem Model 3 auf fast 1’000 Kilometern? Dabei wollen wir herausfinden, wie einfach sich das Elektroauto unterwegs aufladen lässt und wie fortgeschritten der viel zitierte «Autopilot» bereits ist. Folgt uns auf einen zweitägigen Trip von Zürich nach Lyon in Frankreich, um herauszufinden: Wie gut ist das Auto der Zukunft bereits jetzt – in der Gegenwart?

Mit dem Tesla Model 3 auf Fahrt durch Europa

Das Tesla Model 3 ist ein ganz spezielles Auto: Voll elektrisch betrieben, entwickelt es sich gerade weltweit zum Verkaufsschlager und auch Teslas «Endgame»-Pläne einer «Robotaxi-Flotte» sind eng mit dem Erfolg des Model 3 verbunden. Noch bevor das Model 3 im April 2016 offiziell vorgestellt wurde, standen zehntausende Fans rund um den Globus vor Tesla-Stores an, um eine Reservation zu platzieren.

Diese Warteliste wuchs auf über 400’000 Vorbestellungen an, bevor Tesla 2017 mit den Auslieferungen begann. In der Schweiz war das Model 3 im März 2019 gar das meistverkaufte Auto überhaupt – noch vor den üblichen ewigen Bestsellern wie Skoda Octavia oder VW Golf.

Grund genug, dass sich die «Techgarage» ein aktuelles Tesla Model 3 schnappt, um es mit all seinen Funktionen und Features auf Herz und Nieren zu prüfen. Wir wollen wissen: Was steckt dahinter, bei diesem Elektro-Überflieger? Dazu schauen wir uns die Faktoren genauer an, die einen Tesla ausmachen: Den elektrischen Antrieb, das Aufladen des Akkus, sowie die Software mit allen elektronischen Assistenten, der bei Tesla grosse Wichtigkeit beigemessen wird.

Um diese Faktoren möglichst realitätsnah zu prüfen, habe ich mir eine «Weekend-Challenge» gesetzt: Vom Techgarage-HQ in Zürich bis nach Lyon in Frankreich und am nächsten Tag wieder zurück. Rund 450 Kilometer pro Weg – möglichst schnell. Denn ich will wissen: Ist das Model 3 Langstrecken-tauglich? Und: Wird mich der viel erwähnte Tesla Autopilot auf meiner Fahrt unterstützen können? Um diesen Test durchführen zu können, hat Tesla Schweiz uns eine Woche lang ein Model 3 Performance mit Allrad-Antrieb zur Verfügung gestellt.

Tesla Model 3 Interior Techgarage
Schlicht, edel, aufgeräumt kommt die Fahrgastzelle daher: Auf dem Sitz dieses Model 3 macht sich die «Techgarage» auf einen zweitägigen Trip von Zürich nach Frankreich. Geplante Route: Knapp 1’000 Kilometer.

«Wie kompensierst du das CO2?»

Die Frage traf mich unvorbereitet: Am Abend vor meiner Abfahrt habe ich noch kurz bei meiner Familie vorbeigeschaut, um allen eine kurze Testfahrt in meinem Model 3 zu ermöglichen. Die Nachbarin, die dabei neugierig ihren Kopf aus dem Fenster nebenan streckte, schien meine geplante Langstrecken-Fahrt gar nicht zu goûtieren. Sie wollte wissen, wie ich denn gedenke, das produzierte CO2 für diese «unsinnige Fahrt» zu kompensieren. Ich stammelte etwas von «elektrisches Auto» und dass ich statt dieses Ablasshandels lieber darauf achten würde, Strom aus erneuerbaren Quellen zu verwenden. Dabei hatte ich ganz vergessen, dass Strom aus nachhaltiger Quelle ja bei Tesla eigentlich Standard ist.

Tesla gibt nämlich an, dass der Strom für sein Supercharger-Netzwerk in Europa überwiegend aus «sauberen» Energiequellen wie Wind und Solar stammt, wobei 80% des Strommixes im deutschsprachigen Raum CO2-frei ist, in den nordischen Ländern und den Benelux-Staaten gar 100%.

Da ich für meinen Roadtrip vorhabe, vor allem auf das «Supercharger»-Netzwerk von Tesla zurückzugreifen, ist die Frage nach den Emissionen eigentlich geklärt: Zumindest für die lokalen Emissionen (keine Abgase) sowie bei der Herstellung des Stroms für meinen Antrieb (auch hier keine Emissionen).

Wie plane ich mit einem Tesla einen Trip ins Ausland?

Wäre eine Langstrecken-Fahrt mit einem Elektroauto vor einigen Jahren mit viel Planerei, der Suche nach geeigneten Ladesäulen und speziell kreierten Routen verbunden gewesen, dauert meine Fahrtplanung mit dem Model 3 ganze 10 Sekunden. So viel Zeit brauche ich nämlich, um meine Destination – ein Hotel in Lyon – auf dem Touchscreen des Model 3 ins Navi einzugeben. Das Model 3 rechnet kurz aus, ob und wo ich für das Erreichen meines Zieles den Akku nachladen müsste und liefert mir dann eine fixfertige Route mit Navigation.

Zur Erinnerung: Voll geladen beträgt die Reichweite des Model 3 Performance realistische 490 Kilometer (530 Km nach WLTP). Durch die vielen Testfahrten mit Familie und Freunden ist mein Akku am Vorabend allerdings nur noch halbvoll und so entschliesse ich mich noch zu einer Ladung an der 230V-Steckdose über Nacht, sodass ich meine Reise mit 450 Kilometern auf der Anzeige antrete.

Tesla Model 3 Route Planning Techgarage
Die Routenplanung auf dem Model 3-Navi ist so einfach, wie sie nur sein kann: Ziel eingeben und der Computer rechnet aus, ob und wo unterwegs nachgeladen werden müsste.

Das Model 3 schlägt mir vor, nach 2:50 Stunden und 220 Kilometern Fahrt erstmals in Bussigny bei Lausanne einen Supercharger anzusteuern. Wenn ich mein Auto dort – so rechnet der Bordcomputer vor – 20 Minuten an den Charger stecke, reicht der Akku dann bis nach Lyon, und zwar mit 17% Restladung. Die gewählte Route ist dabei auch die direkteste Verbindung zwischen Zürich und Lyon: Dadurch, dass Tesla seine Supercharger weltweit entlang der grossen Verkehrsachsen platziert, müssen diese auch nicht über Umwege angefahren werden.

Erster Stopp bereits nach 50 Minuten

Ich packe meinen Weekend-Bag ins Auto, stelle sicher, dass ich meinen Pass und meine gelbe Warnweste dabei habe und setze den Ganghebel auf «D» wie «Drive». Ganz ohne Motorengeräusch und Drama gleite ich los – dem Westen entgegen.

Doch nach 50 Minuten und knapp 60 gefahrenen Kilometern muss ich ein erstes Mal anhalten: Bio-Pause für den Fahrer, der am Morgen extra noch einen zusätzlichen Kräutertee getrunken hatte, um während der Reise hydriert zu bleiben. Ich fahre kurz eine Raststätte an und reguliere meinen Flüssigkeitshaushalt. Als ich zum Auto zurückkomme, scheint es mich ungeduldig und leicht vorwufsvoll anzuschauen, im Sinne von: «Wir könnten schon viel weiter sein, imfall…». Das Model 3 scheint bereit zu sein für die Langstrecke – aber wie steht’s mit dem Fahrer?

Umplanen der Ladestopps: Ein Fingertipp genügt

Es ist Freitag Vormittag und auf dem 15-Zoll-Bildschirm des Model 3 sehe ich dank der Echtzeit-Verkehrsinformationen, wie sich Peripherie von Lausanne die Fahrzeiten stetig verlängern. Je näher ich Lausanne komme, desto mehr Strassen und Zufahrten leuchten auf dem Navi rot auf. Offenbar sind die Zugangsstrassen zum gewählten Supercharger überlastet und ich schätze 20 Minuten Wartezeit. Darauf habe ich – noch keine 200 Kilometer gefahren – nun echt keine Lust.

Doch das Supercharger-Netzwerk ist in der Schweiz glücklicherweise schon weit ausgebaut: 19 Supercharger stehen schon, jeder mit sechs bis 24 Ladepunkten. Und im Tesla-Navi sind diese Supercharger auch mit einer kleinen roten Flagge gekennzeichnet. Ich beschliesse, umzudisponieren und tippe einen anderen Charger an, der in Lully VD, nahe Payerne steht – nur wenige Kilometer entfernt. Mit einem Tipp auf den Display wähle ich meine neue Destination an und lasse mich vom Model 3 ans neue Ziel navigieren. Das geht völlig nahtlos und in Sekundenschnelle – und das Navi zeigt mir erst noch an, wie viele Ladeplätze gerade frei sind.

Und ganz ehrlich: Der Ladestopp nach 2 Stunden ist fürs Auto eigentlich nicht notwendig – die Akku-Anzeige zeigt noch  300 Kilometer Reichweite an. Ich jedoch bin froh um einen kurzen «Znüni»-Stopp und eine weitere Biopause. Während ich meinen Kaffee schlürfe, nuckelt das Model 3 Strom am Charger, meldet aber bereits nach 5 Minuten über die Tesla-App, dass die Ladung jetzt eigentlich für die Weiterfahrt ausreichen würde. So schnell bin ich nicht.

Ich entschliesse mich aber für einen weiteren Ladestopp an einem Supercharger nahe Genf – etwas näher an meiner End-Destination. Denn ich will mit mehr 20% Rest-Akku beim Hotel ankommen. Diese Vorsichtsmassnahme entpuppt sich jedoch im Nachhinein als unnötig, denn das Einkaufszentrum, in dem mein Hotel beheimatet ist, verfügt in der Tiefgarage über kostenlose Ladeplätze. Sehr fortschrittlich. Über ein «Typ2»-Ladekabel – das ich übrigens jedem Tesla-Fahrer als Zubehör empfehle – kann ich mein Model 3 in wenigen Stunden wieder voll aufladen. Genau – Aufladen! Dazu ein kurzer Exkurs:

Wie schnell lädt das Model 3 an Steckdose und Chargern?

Die kurze Antwort: Unglaublich schnell!

Etwas detaillierter: Das kommt darauf an, wie viel Leistung die Ladesäule oder Steckdose bringt, an den du dein Model 3 ansteckst.

Tesla Model 3 am Supercharger: Blitzschnell

Ungeschlagen ist die Kombination des dichten – und weiter wachsenden – «Tesla Supercharger»-Netzwerks mit dem Model 3. Nicht nur ist die Handhabung extrem simpel: Einstecken und laden – auch die Ladegeschwindigkeit ist mit nichts anderem zu Vergleichen. Das Model 3 und sein Akku sind auf schnelle Ladung ausgelegt, und so wird eine Ladeleistung von 12o Kilowatt (kW) erreicht, was 770 Kilometern Reichweite pro Stunde entspricht. Dieser Wert gilt allerdings nur für einen leeren Akku – je voller die Batterie wird, desto mehr wird die Ladegeschwindigkeit zurückgeschraubt, um die Batterien zu schonen. Anyway: Die Reichweite steigt besonders am Anfang rasant, dass es eine Freude anzusehen ist. Wer von fast leer auf 80% lädt, verbringt nicht mehr als 20-25 Minuten am Supercharger. Und mit der geplanten Einführung von «V3»-Superchargern wird die Leistung künftig sogar verdoppelt werden. Meine Erfahrung: Am Supercharger warte ich keine Minute auf mein Auto. Nach 300 bis 400 gefahrenen Kilometern brauche ich die 20 Minuten Pause für mich selbst. Das Model 3 ist für die Weiterfahrt bereit, sobald ich es bin.

Tesla Model 3 Supercharger Plugged In Techgarage
Das Tesla-eigene «Supercharger»-Netzwerk ist viel wert: Nirgends sonst wird das Elektroauto so schnell und so unkompliziert wieder vollgeladen. Weltweit gibt es 1’533 Supercharger-Stationen mit 13’344 Supercharger-Ladeplätzen (Stand Mitte Juli 2019).

Tesla Model 3 an öffentlichen Ladestellen: Schnell

Neben den Superchargern habe ich auf meinem «Road Trip» noch die öffentlichen Ladesäulen im bereits genannten Einkaufsentrum getestet wie auch das aufkommende «IONITY»-Schnelllade-Netzwerk. Im Einkaufszentrum genügte das Anschliessen des Autos mit einem Typ2-Ladekabel und ein Druck auf eine grüne Taste, um den Ladevorgang zu starten. Danach nuckelte mein Model 3 Strom für 60 Kilometer Reichweite pro Stunde. Ein paar Stunden genügen also, um den Akku zu laden – perfekt beispielsweise während des Shoppings oder einer Übernachtung.

Tesla Model 3 am neuen «IONITY»-Netzwerk: Toll, wenn’s denn funktioniert

Während Tesla mit dem Supercharger in den letzten Jahren ein leistungsfähiges Lade-Netzwerk aufgebaut hat, ist noch kein anderer Hersteller auf das Angebot der Kalifornier eingegangen, gemeinsam an diesem Netzwerk zu bauen. Das hat zur Folge, dass Supercharging momentan noch immer exklusiv Tesla-Fahrzeugen vorbehalten ist. Elektroautos anderer Hersteller mussten deshalb immer alternativen suchen – doch leider waren diese immer sehr langsam. Das soll sich mit dem «IONITY»-Netzwerk ändern, das gerade in Teilen von Europa errichtet wird. Das Model 3 lässt sich dank des neuen «CCS»-Ladestandards auch an dessen Ladesäulen laden. Noch sind die Ionity-Stellen spärlich gesät, aber auf der Autobanraststätte Grauholz vor Bern steht eine.

Meine Erfahrung damit: Vier Ladesäulen waren vorhanden, zwei davon besetzt durch einen Jaguar I-Pace und einen Hyundai Kona. Ich fahre eine der zwei freien Säulen an, tippe auf den Touchscreen, um das Menü zu starten – und nichts geschieht. Zeigt sich: Sie ist tatsächlich defekt, vielleicht eingefroren. Auch and der anderen freien Ladesäule kein Glück: Hier gibt’s sogar eine Fehlermeldung, die Säule sei ausser Betrieb. Doch glücklicherweise rollt der Jaguar bald schon weg und gibt eine der wenigen funktionierenden Säulen frei. Ich klicke mich durchs Menü auf dem Touchscreen an der Säule und stehe schon wieder an: Bezahlen kann ich nur mit einem speziellen RFID-Tag, den ich hätte vorbestellen müssen. Die Option, per Smartphone und Kreditkarte für meinen Strom zu zahlen, scheitert an einem fehlerhaften Online-Modul seitens Ionity. Glücklicherweise ist der Fahrer des nebenan ladenden Hyundai Kona bereits registrierter Ionity-Nutzer und schaltet meinen Ladevorgang über eine App eines Drittanbieters – «Plugsurfing» frei.

Ich zahle ihm die Ladepauschale von 8 Euro in Bar – nicht gerade sehr 2019. Dann lädt mein Model 3 recht zügig – wegen der bereits recht vollen Batterie allerdings nur mit 50kW – theoretisch wären hier Werte bis 200kW möglich. Nur: Im Vergleich zur Einfachheit und Verlässlichkeit von Teslas Superchargern hat Ionity bei diesem Vergleich kläglich abgeschnitten.

Tesla Model 3 Ionity Charging Techgarage
Laden an anderen, öffentlichen Ladestationen – wie hier am «Ionity»-Netzwerk – kann bisweilen aufwändig bis frustrierend sein. Das liegt aber nicht am Tesla.

Tesla Model 3 an der heimischen Steckdose: Wenn’s sein muss

Ja, das Model 3 lässt sich auch zu Hause an einer normalen 230V/10A-Steckdose aufladen – genauso, wie dein iPhone. Damit kommen pro Stunde am Stecker weitere 14 Kilometer Reichweite in den Akku. Nicht berauschend, aber immerhin: Über Nacht (8 Stunden) wären damit doch über 110 Kilometer nachgefüllt.

Tesla Autopilot: Wie nahe am autonomen Fahren sind wir bereits?

Nachdem die Frage nach dem Aufladen eines Elektroautos auf der Langstrecke sich jetzt erledigt hat (Fazit: «Läuft!»), möchte ich mich einem anderen wichtigen Faktor widmen: Dem Tesla Autopiloten.
Der viel zitierte, wenig verstandene Autopilot ist eigentlich ein Sammelbegriff für diverse Sicherheits- und Lenkassistenz-Systeme, die im Model 3 verbaut sind. Acht Kameras und eine Vielzahl an Radar- und Ultraschallsensoren helfen dem Auto, seine Umgebung wahrzunehmen und auf Situationen zu reagieren. Dies soll in einer Entlastung des Fahrers bei gleichzeitig verbesserter Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer resultieren.

Die «Autopilot»-Hardware, die Tesla seit Oktober 2016 in seinen Autos verbaut, soll die Autos eines Tages vollständig autonom machen. Will heissen: Kein Mensch mehr am Lenkrad – das Auto lenkt selbständig und bringt seine Passagiere ohne menschliches Zutun von A nach B. Dies wird in einem zweiten Schritt dann auch zu einer grossen Flotte an autonomen «Robo-Taxis» führen, wenn die Berechnungen von Tesla-Chef Elon Musk aufgehen. Hier nun eine kleine Auflistung der Assistenz-Systeme, die ich während meiner Fahrt benutzt habe sowie einige Notizen dazu:

Tesla Model 3 Autopilot Sensoren
Mit seiner Vielzahl an Sensoren hat das Model 3 jederzeit eine hervorragende Rundumsicht. Der nächste Schritt für Tesla ist, diese Informationen so einzusetzen, dass das Fahren für den Lenker sicherer und angenehmer wird. Das Ziel des vollständig autonomen Fahrens ist noch nicht erreicht – zum Glück gibt’s regelmässige Software-Updates!

Abstandstempomat (TACC)

Der «Traffic Aware Cruise Control» (TACC) ist mein absolutes Lieblingsfeature in Autos: Ist dieser Tempomat eingeschaltet, sind Auffahrunfälle praktisch ausgeschlossen, weil man ein zusätzliches Paar elektronischer Augen hat, die den Abstand zum vorderen Fahrzeug stets einhalten. Im Model S bin ich damit vier Jahre lang völlig ohne «Fender Bender» (Stossstangen-Beuger) durch den Verkehr gekommen, da das Auto auch dann bremst, wenn ich selber mal unaufmerksam wäre. Im Model 3 hatte ich damit auch keine Mühe – bis auf ein paar «False Positives», wo Kamera und Sensoren des Model 3 etwas auf der Strasse zu erkennen glaubten, ohne dass da etwas war. Auch das ist allerdings gefährlich, denn wenn mein Auto im Kolonnenverkehr abrupt und ohne Grund stark bremst, ist dies eine Gefahr für jeden nachfolgenden Lenker. Der alte TACC in meinem 4-jährigen Model S verdient die Note 9/10, während das «hyperaktive Kind» im Model 3-TACC für die regelmässigen, sprunghaften und unberechenbaren Vorfälle (auf Englisch heisst dies «erratic behavior») bloss die Note 4/10 erhält. Hoffen wir auf baldige Updates zur Verbesserung dieses Verhaltens.

Spurhalteassistent

Genauso hilfreich wie das TACC ist auch der Spurhalteassistent – besonders auf langen und eintönigen Fahrten auf Autobahnen. Hier glänzt das Model 3 mit seinen vielen Kameras und Sensoren, die die Umgebung des Autos jederzeit abtasten und analysieren. Der Spurhalteassistent und das TACC werden im Model 3 gleichzeitig aktiviert, das Eine gibt’s also nicht ohne das Andere. Und beide sind als Zwischenschritt zum autonomen Fahren gedacht. Ich merke im Unterschied zum Vorgänger, wie das Model 3 auch stärkere Kurven selbstbewusst fährt und sehe auf dem Bildschirm auch die vielen Objekte – wie Lastwagen, Fahrspuren, Autos, Fahrräder, Fussgänger – die das Auto rund um sich erkannt und korrekt identifiziert hat. Wie gesagt: Manchmal sorgen die vielen visuellen Inputs im Auto für Fehlentscheide (siehe oben) durch Reizüberflutung. Ich bin deshalb auch nie ganz entspannt, wenn ich den Autopiloten mit TACC und Spurhalter aktiviert habe. Und in dichtem Verkehr und einer Spurführung mit engen Spuren und vielen Kurven übernehme ich zur Sicherheit die Lenkung selber. Ich hoffe, mich künftig (nach einigen Updates) stärker auf das System verlassen zu können. Momentan: 3/10 Punkte.

Visuelle Erkennung von Gegenständen

Wie erwähnt sieht das Model 3 mit seiner Vielzahl an Sensoren auch, was in der Umgebung passiert. Daneben würde ich mir aber auch wünschen, dass das Auto Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Tafeln mitliest und sein Tempo entsprechend anpasst. Das hat beim Model S mit Autopilot 1.0-Hardware auch noch besser geklappt: Dort konnte ich mich darauf verlassen, dass ein paar Meter nach dem Schild das neue Tempo vom System erfasst war und ich es per Druck auf den Autopilot-Hebel entsprechend anpassen konnte. Nicht so bei meinem getesteten Model 3: Baustelle auf der Autobahn? Trotz «80»-Temposchild braust mein Model 3 munter mit 120 weiter, bis ich selbst auf die Bremse stehe, was wiederum den gesamten Autopiloten deaktiviert. Die Tempo-Einstellung über die Lenkrad-Räder ist nämlich langsam und ungenau. Eines Tages wird das Model 3 selbständig fahren und das Tempo einstellen können: Davon sind wir in der aktuellen Phase noch weit entfernt und so muss der Fahrer ständig in höchster Bereitschaft bleiben und das Tempo manuell anpassen. Der Tempo-Vorschlag, den das Model 3 über den Touchscreen einblendet, könnte man durch darauftippen auch einfach übernehmen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Vorschlag allerdings korrekt ist, lag bei meiner Fahrt bei etwa 40% – nicht gut genug. Note 3/10.

«Navigate on Autopilot»

Wer bei Autobahnfahrten oft Angst davor hat, sich auf der falschen Spur zu befinden oder die Ausfahrt zu verpassen, kann sich von der Funktion «Navigate on Autopilot» assistieren lassen. Die Funktion lässt sich auf Autobahnen aktivieren und schlägt dem Fahrer Spurwechsel vor, um möglichst schnell ans eingegebene Ziel zu kommen. In der Praxis zeigte sich mein Model 3 noch etwas zögerlich beim tatsächlichen Spurwechsel, manchmal kam ein vorgeschlagener Wechsel auf eine Spur reichlich spät – etwa 1 Kilometer vor der Ausfahrt – und teilweise war das Resultat gänzlich unbrauchbar, weil der Tesla nach zwei Spurwechsel-Versuchen frustriert aufgab. Ich würde der Funktion momentan 6 von 1o Punkten geben: Eindrücklich, als das Model 3 auf der Rückfahrt gleich nach der Grenze selbständig blinkte und die Ausfahrt in Richtung Genf anfuhr. Aber etwas später, beim Endspurt in Richtung Zug zeigte es mir die zwei linken der vier Spuren als richtig an, blinkte dann aber rechts raus und gab danach gar keine Feedbacks mehr. Da wartet noch viel Optimierungsarbeit auf die Tesla-Softwareingenieure – das Feature hat aber auch viel Potenzial.

Likes: Was wir am Model 3 mochten

Interieur und Design

Der Fahrgastraum des Model 3 ist minimalistisch ausgestattet: Auffallend sind das grosse 15″-Tablet, das mittig im Armaturenbrett verbaut ist und der komplette Verzicht auf Knöpfe, Drehregler und dergleichen. Das sorgt für einen ein luftiges Gefühl und extra viel Platz für Passagiere und Stauraum. Das Dach aus Glas macht die Kabine hell und sorgt für zusätzliche Kopffreiheit, die verbauten Materialien wirken sehr hochwertig. Cooles Extra: Die Ladestationen in der Mittelkonsole, auf denen man Apple– und Android-Smartphones während der Fahrt aufladen kann.

Schnelles Aufladen des Akkus

Das Model 3 kann praktisch an allen Steckdosen und Ladesäulen geladen werden – und das schnell. Damit nimmt es allen Kritikern den Wind aus den Segeln, die behaupten, ein Elektroauto sei schwierig zu laden und deshalb nicht alltagstauglich.

Ein Tesla wird über die Jahre besser, weil er drahtlos mit Software-Updates versorgt werden kann. Das ist ein wichtiger Faktor für den Erfolg der Elektroautos aus Kalifornien und macht das Model 3 zum «Smartphone auf Rädern».

Tesla Model 3 Charging Screen Techgarage
Der grosse Touchscreen lässt das Auto futuristisch wirken, die schnelle Aufladung sorgt dafür, dass es alltagstauglich ist. Gut gefallen uns die kleinen Details – wie die angeschrägte Ladebucht für iOS- und Android-Smartphones in der Konsole unter dem Bildschirm.

Dislikes: Was am Model 3 verbessert werden muss

Denkt (noch) an den Fahrer!

Im Vergleich zu einem Model S, das ich selbst vier Jahre lang gefahren bin, erscheint mir die Manipulation der Fahrzeug-Funktionen im Model 3 wenig intuitiv. Routine-Abläufe, wie das Anpassen des Autopiloten, das Regeln der Scheibenwischer und andere Funktionen sind im Model 3 extrem aufwändig und müssen über den Touchscreen eingestellt werden, während es im Model S einen Hebel in der Nähe des Lenkrads dafür gibt. Das mag daran liegen, dass der Fahrer diese Dinge gemäss Tesla bald schon nicht mehr selber einstellen oder überprüfen muss. Bis es aber so weit ist und das Auto alles selbst macht, hätte ich mir mehr Bedienelemente in Form von Hebeln oder Tasten gewünscht. Das Model 3 ist klar auf eine fahrerlose Zukunft ausgelegt: Aber diese Philosophie erschwert mir das Fahren in der Gegenwart doch enorm.

Tesla Autopilot Version 2 & 3

Der Autopilot muss – und wird – von Tesla über kostenlose, drahtlose Software-Updates verbessert werden. Zum Glück. Denn zum jetztigen Zeitpunkt (Mitte Juli 2019) traue ich ihm nicht mal zu, selbständig eine enge Kurve zu nehmen oder einen Spurwechsel zu vollziehen. Da fehlt noch viel, bis mich das Auto über Landesgrenzen von A nach B zu fahren vermag. Wir sind zum jetztigen Zeitpunkt sogar noch weit weg von der Vorstellung, dass sich das Auto selbständig über kurze Distanzen (z.B. Autobahn) lenkt. Zum Einen meckert das Auto, sobald man beide Hände vom Lenker nimmt, zum Anderen sind da einfach zu viele Bugs und Unsicherheiten, sodass ich als Lenker jederzeit in einer «High Alert»-Bereitschaft war, um jederzeit Steuer und Bremse zu übernehmen. Sogar in meinem Model S mit dem beschränkten Autopilot 1.0 habe ich mich besser entspannen können: Es konnte zwar nicht viel, doch was es konnte, tat es verlässlich (Abstandstempomat und Spurhaltung).

Fazit: Das Model 3 ist die Zukunft… schon jetzt

… und es ist allen anderen Autos, die ich bisher gefahren bin, meilenweit voraus. Nicht nur ist es ein hervorragendes Auto – auch die gesamte Infrastruktur rundherum mit den Tesla-Superchargern und dem sich ständig verbessernden Autopiloten machen es zu einer einzigartigen fahrenden Plattform. Das Auto liegt super auf der Strasse, macht von aussen einen optisch überzeugenden Eindruck und künftige Software-Updates werden die einzelnen Funktionen über die Jahre noch verbessern.

Meine Weekend-Challenge sehe ich als erfüllt: Ich bin mit meinem Model 3 in zweimal rund 4,5 Stunden die jeweils 450 Kilometer zwischen Zürich und Lyon gefahren, ohne dass ich je eine Minute darauf hätte warten müssen, dass mein Auto fertig geladen ist. Das Model 3 hielt mich in dieser Zeit sicher auf den richtigen Fahrtspuren und gab mir sogar alternative Routen, um dem schlimmsten Verkehr auszuweichen. Platz für eine Flasche Rotwein und ein bisschen «Fromage» als Beweis-Stücke des gelungenen Trips bietet das Auto auch: Neben dem Kofferraum ist ja da noch der vordere «Frunk» («Front Trunk») als Stauraum vorhanden.

Wohl wissend, dass der Trend bei den Autos in Richtung autonomes Fahren und alternativer Antriebe geht, bietet das Model 3 ein unschlagbares Paket. Dies ist meine ehrliche Meinung als Tech-Redaktor und als Elektroauto-Begeisterter der ersten Stunde. Ich hätte nicht gedacht, dass mir das Model 3 nach meinen vier Jahren Fahrerfahrung mit einem Model S so gut gefallen würde. Aber sobald man mit dem neuen, kompakteren Tesla ein paar hundert Kilometer gefahren ist, wird einem klar, dass so das Auto der Zukunft aussieht. Nur kann man diese automobile Zukunft bei Teslas bereits jetzt kaufen – und dieses Ticket in die Zukunft gibt es ab 44’900 Franken oder 43’390 Euro.

Easteregg: Die mobile Spielkonsole Tesla Model 3

Was ist das Model 3? Ein Langstrecken-taugliches Elektroauto, das wahrscheinlich fortschrittlichste Auto auf der Strasse – und eine Spielkonsole. Als verstecktes «Easteregg» sind im Bordcomputer jedes Tesla ein paar Retro-Games eingebaut, die sich auf dem Touchscreen spielen lassen, wenn das Auto sich im «Park»-Modus befindet. Mit dem neuesten Software-Update (2019.20.4.4) kommt allerdings noch ein modernes Spiel hinzu: «Beach Buggy Racing 2» erinnert entfernt an die populäre «Mario Kart»-Serie und lässt sich – zusätzlich zum Touch-Input – auch über das Lenkrad und die Pedale des Model 3 steuern. Hervorragend, um eventuelle Wartezeiten am Supercharger zu überbrücken. Wir können’s kaum erwarten, bis sich das Spiel auch mit eingesteckten Controller im Multiplayer-Modus spielen lässt.

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Pascal Landolt

Pascal lebt für Technologie und schreibt leidenschaftlich gerne – und als Mitgründer und Redaktor von Techgarage kann er diese beiden Passionen miteinander verbinden. Er wohnt in Zürich, aber eigentlich nennt er die ganze Welt sein Zuhause. Pascal war beruflich redaktionell und in der PR für einen globalen Technologiekonzern tätig, bevor er sich selbständig gemacht hat.

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