Dieses Wochenende ist Bern im Bann der Formel E: Rund 100’000 Zuschauer aus der ganzen Welt werden erwartet, wenn die Elektro-Autos am 22. Juni durch die historische Stadt an der Aare flitzen.
Und ganz vorne fährt ein Team mit, das bereits jetzt gute Chancen auf den Gewinn der diesjährigen Meisterschaft hat: Das «DS TECHEETAH Formula E Team». Ihre zwei Fahrer, Jean-Éric Vergne und André Lotterer, liegen momentan auf Platz 1 und 3 der Fahrer-Wertungen. Vergne fuhr bereits in der vergangenen Saison 2017/18 den Champion-Titel ein.
Techgarage darf exklusiv hinter die Formel-E Kulissen blicken
Keine Frage also, dass das DS TECHEETAH-Team (ausgesprochen: «DS Ti-Chiitah») einiges richtig macht. «Techgarage» wollte wissen, was es braucht, um in der Formel E ganz vorne mit dabei zu sein und durfte deshalb auf Einladung des Rennteams hinter die Kulissen in der Garage vorbeischauen und dabei Teamchef, Mechanikern und Fahrern die brennendsten Fragen stellen.
Der Tag vor dem Rennen ist üblicherweise sehr stressig für die Teams: Material wird in der Garage rumgekarrt, die Autos fahrtüchtig gemacht, Vorbereitungen für den Renntag getroffen. Drei Rennen vor Abschluss der Saison merkt man den Teams in der Boxengasse die Anspannung an.
Aufregung: «Trennt die Gurte und hievt ihn raus»
Doch als plötzlich eine Gruppe von stämmigen Männern in schwarzen Overalls auftaucht, flankiert von medizinischen Hilfskräften in hell schimmernden Uniformen, wird die Atmosphäre kurz gar etwas fiebrig. Die Eingreiftruppe marschiert schnurstracks auf den Stand von «TECHEETAH» zu, woraufhin dort ein Auto aus der Garage geschoben und mit einer orangen Gummiplane abgedeckt wird.
Im Gemurmel der anwesenden Techniker und Presseleute hören wir die Frage «Is it dangerous? – Ist es gefährlich?». Woraufhin sich einer der Herren in Overall umdreht und augenzwinkernd in sehr britischem Akzent antwortet: «A very dangerous test, yes.» Ein Test also – und wie sich herausstellt sind die Herren in Schwarz eine eingespielte Truppe von sogenannten «Extrication»-Spezialisten, also Bergungsprofis sind. Ihre Aufgabe ist es, im Falle eines Crashs auf der Rennstrecke die Fahrer möglichst schnell und schonend aus dem Auto zu bergen, sollten diese aus irgendwelchen Gründen selbst nicht mehr in der Lage dazu sein.
Im Cockpit des Autos sitzt der deutsche «DS TECHEETAH»-Fahrer André Lotterer. Seine Aufgabe ist es, sich ohnmächtig zu stellen und der Evakuations-Crew im Nachhinein Tipps und Feedback zu geben. Kurz analysieren die Profis die Lage und entscheiden dann, den Piloten mit einem speziellen Tragegurt vorsichtig nach oben aus der Kabine zu hieven. «Trennt die Gurte und hievt ihn raus», schallt es durch die Hallen.
Die fünf Männer der Eingreiftruppe arbeiten hoch fokussiert und immer unter den wachsamen Augen eines Formel-E-Offiziellen der «FIA» – des Renn-Dachverbandes, der mit einer Stoppuhr genauestens die Zeit im Blick behält. Etwas über vier Minuten zeigt die Stoppuhr dann an, bis André Lotterer neben seinem Fahrzeug auf der Bahre liegt. Mission: erfüllt. Pro Renn-Wochenende wird dieser Drill mit jeweils zwei Fahrern zufällig ausgewählten Fahrern und deren Rennställen durchgeführt. Dies soll allen Beteiligten das Verhalten in einer Not-Situation einschärfen.
Teamchef Mark Preston: «Jetzt bloss keine Fehler mehr machen»
Vom Teamchef von «DS TECHEETAH» wollten wir natürlich wissen: Was macht sein Rennstall denn alles besser als andere – warum sind sie bereits in der zweiten Saison in Folge ganz an der Spitze mit dabei?
Der Chef erklärt uns: Die Formel E-Autos, die von den Teams gefahren werden, seien im Unterschied zur Formel 1 von aussen exakt baugleich. Sie würden «Homologisiert» und die Teams dürften kein Detail an der äusseren Aerodynamik ändern. Auch der Akku würde von einem einzigen Hersteller geliefert: Hersteller McLaren liefert jedem Rennstall ein exakt gleiches Batteriepack.
Einzig im Antriebsstrang und der entsprechenden Steuerungssoftware, die jedes Team individuell entwickelt, unterscheiden sich die Rennautos – und natürlich auch in den Piloten. Darauf führt Preston denn auch den aktuellen Erfolg seines Rennstalls zurück: Das Team bestehe seit bald vier Jahren, habe mittlerweile als Rennstall in der Formel E überdurchschnittlich viel Erfahrung angesammelt und mit den beiden Piloten Jean-Éric Vergne und André Lotterer seien bereits seit über einem Jahr die selben Profis am Steuer. Dies habe einen guten Team-Zusammenhalt geschaffen. Für neue Teams sei es indessen schwierig, diesen Vorsprung an Know-How schnell einzuholen.
Zurücklehnen darf sich sein Team indessen nicht – das weiss auch Mark Preston. Die Devise lautet gemäss dem Chef: «Jetzt bloss keine Fehler mehr machen». Ob das auf dem speziell fordernden Rundkurs durch Bern auch gelingen wird, sehen wir ab 09:00 Uhr am Samstagmorgen, wenn das erste Training beginnt.
Über das Auto: Insider-Infos vom Teamchef
Wir sind ja bekanntlich die «Techgarage» – und darum durften wir uns natürlich auch nicht die Möglichkeit nehmen lassen, uns bei einer kurzen Führung durch die Garage einmal das neue Schmuckstück – das Elektroauto der 2. Generation – durch Teamchef Mark Preston persönlich erklären zu lassen. Wir berichten ja oft über Elektroauto-Themen und fahren regelmässig Modelle verschiedener Hersteller, um sie zu testen. Aber dieses Elektroauto hier, das ist speziell. Kaum ein andreres Auto mit Akku-Antrieb weltweit wurde so sehr auf kurzzeitige Performance ausgelegt wie die neuesten Formel E-Modelle.
In nur 2,8 Sekunden schafft es ein «Gen2»-Formel E-Auto von 0 auf 100 km/h. In Serien-Elektroautos für die Strasse wird dieser Wert momentan nur von einem Hersteller erreicht: Das tesla_model_s”>Model S von Tesla in der «Performance»-Version mit «Ludicrous»-Upgrade erreicht die 100 km/h gar in 2.6 Sekunden.
Der Formel-E-Akku im Vergleich mit Strassenautos
Neu ist in der «Gen2»-Variante der Elektroautos für den Rundkurs auch, dass die Fahrzeuge ein ganzes Rennen ohne Zwischen-Aufladung, Akku- oder Fahrzeugwechsel schaffen. Bis letzte Saison mussten die Fahrer nämlich jeweils in der Hälfte des Rennens an die Box fahren und in ein neues, voll aufgeladenes Auto umsteigen. Diese Zeiten sind vorbei, denn unter der Karosserie schlummert jetzt ein Lithium-Ionen Akku mit einer Kapazität von 54 Kilowattstunden (kWh) und einer maximalen Leistung von 250 Kilowatt (kW). Das bedeutet, dass das Auto mit seiner Energiereserve nur rund 12 Minuten unter «Vollstrom» fahren könnte. Zum Glück gibt’s noch Rekuperation, mit dem ein Teil der Energie beim Bremsvorgang wieder zurück in die Batterie gespiesen wird.
Geladen wird der Akku im Auto, der übrigens – wie uns Mark Preston erklärt – aus einzelnen 18650er-Zellen besteht, über Gleichstrom (DC). Rund 45 Minuten dauert eine volle Aufladung, dafür sorgt ein kühlschrankgrosser Laderegler, der in den Garagen gleich neben dem Auto steht. Im Gegensatz zu vielen Elektroautos auf der Strasse ist der Akku dabei nicht als «Rollbrett» flach unter dem Chassis verbaut, sondern vielmehr als Block hinter dem Fahrer-Cockpit eingebaut.
Mit seinem Akku von 54 kWh Kapazität würde ein Formel E-Auto auf der Strasse übrigens bloss im Mittelfeld rumdümpeln. Er wäre gleichauf mit dem neuesten Modell des «Renault Zoé», der einen Akku von 52 kWh verbaut hat, während der Mini-SUV «Kona» von Hersteller Hyundai mit Modellen zwischen 40 kWh und 64 kWh aufwartet. Etwas grosszügiger zeigt sich Marktführer Tesla, dessen Modelle mit Akku-Kapazitäten zwischen 62 (Model 3 Short-Range) und 100 kWh (Model S/X Long-Range) daherkommen.
Ausblick von DS-Schweiz-Chef Thomas Odier
Der Anblick eines «DS»-Automodells mag in der Schweiz noch selten sein, doch der gebürtige Franzose und Schweiz-Chef von «DS Automobiles», Thomas Odier, gedenkt dies schnell zu ändern. Zur Erinnerung: «DS» ist die Premium-Marke des Autokonzerns PSA, dem unter anderem auch Peugeot, Citroën und Opel angehören.
Was wir von Thomas Odier wissen wollen, ist natürlich: «Wenn DS mit Elektroautos auf der Rennstrecke solche Erfolge feiert: Warum sehen wir dann keine Elektroautos von DS auf der Strasse?»
Odier lächelt und erklärt uns charmant in seinem französisch angehauchten Deutsch, er verstehe unsere Frage nur allzu gut. Schliesslich erarbeite sich DS mit seinem Einsatz auf der Rennstrecke einiges an Know-How zu elektrischen Antrieben. Und tatsächlich sei schon bald geplant, dieses Know-How in einem Serienauto unterzubringen: Schon im September dieses Jahres soll mit dem Mini-SUV «DS3 Crossback E-Tense» ein rein elektrisches Auto des Herstellers in Serie gehen. Natürlich hat die «Techgarage» dem DS-Chef auch gleich das Versprechen für eine Testfahrt abgerungen, sobald das Modell in der Schweiz erhältlich ist.
«Hopp Schwiiz»: Auch Sébastien Buemi ist da

In einer Garage gegenüber von «DS TECHEETAH», bei «Nissan E.DAMS», entdecken wir auch noch den Schweizer Formel-E-Fahrer Sébastien Buemi, der bereits letztes Jahr in Zürich zum Rennen antrat. Buemi wirkt fokussiert, bereitet sich innerlich bereits auf sein zweites Heimspiel vor. Trotzdem findet er noch kurz die Zeit, um für «Techgarage» vor seinem neuen Arbeitsgerät zu posieren und einige Worte auszutauschen. Besonders beeindruckt zeigt sich Buemi vom diesjährigen Wechsel von «Gen1» auf «Gen2»-Autos. «Beaucoup plus de puissance – viel mehr Leistung» habe das neue Modell.
Übrigens: Wer Sébastien Buemi oder unserem anderen Lokalmatador Edoardo Mortara mit einem «Fan-Boost» zum Sieg verhelfen will, kann noch bis kurz vor Renbeginn für seinen Favoriten online abstimmen.