In der Schweizer Digitalbranche regt sich massiver Widerstand gegen die geplante Revision der Verordnungen rund um den Dienst zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (ÜPF). Die Reform sieht vor, dass mehr Unternehmen zur aktiven Unterstützung bei Überwachungsmassnahmen verpflichtet werden – darunter auch Anbieter verschlüsselter Kommunikationsdienste wie Threema und Proton. Diese warnen eindringlich vor einem Angriff auf Datenschutz, Innovationsstandort und Grundrechte.
Die Vernehmlassung zur Teilrevision endete am 6. Mai 2025, doch die Kritik dürfte erst jetzt richtig Fahrt aufnehmen.
Worum geht es?
Bislang unterscheidet der Bund zwischen Fernmeldedienstanbietern (FDA) und Anbietern abgeleiteter Kommunikationsdienste (AAKD). Letztere – darunter fallen Messenger-Dienste, E-Mail-Provider oder VPN-Dienste – hatten bislang reduzierte Mitwirkungspflichten bei Überwachungen.
Das soll sich nun ändern: Der Bundesrat will künftig drei neue AAKD-Kategorien einführen:
- AAKD mit minimalen Pflichten
- AAKD mit reduzierten Pflichten
- AAKD mit vollen Pflichten
Wer über 100 Millionen Franken Jahresumsatz oder mehr als eine Million Nutzer:innen verfügt, soll zur höchsten Stufe gehören – mit teils drastischen Folgen:
- Einrichtung eines 24/7-Pikettdienstes
- Speicherung sogenannter Randdaten für sechs Monate
- Herausgabe von Randdaten und Inhalten auf Anfrage
Was sagen die betroffenen Unternehmen?
Proton-CEO Andy Yen zeigt sich empört: Die geplante Revision komme einer “impliziten Erklärung gleich, dass die Schweiz keine vertrauenswürdigen Digitalunternehmen mehr beherbergen will”. Sollte das Vorhaben in dieser Form umgesetzt werden, wolle Proton den Standort Schweiz überdenken.
Auch Threema-Chef Robin Simon warnt: Man habe bereits 2021 vor Gericht durchgesetzt, nicht als Fernmeldedienst eingestuft zu werden – die neue AAKD-Kategorisierung sei nun ein Versuch, die Verpflichtungen „durch die Hintertür wieder einzuführen“. Simon kündigte an, notfalls rechtlich vorzugehen – oder sogar eine Volksinitiative gegen den Ausbau des Überwachungsstaats zu starten.
Digitale Gesellschaft: “Verfassungswidrig und demokratisch bedenklich”
Die Organisation Digitale Gesellschaft kritisiert nicht nur die Inhalte der Revision, sondern auch deren Form: Solche Eingriffe müssten gesetzlich und nicht nur über Verordnungen geregelt werden, sonst sei das ein klarer Verstoss gegen das Legalitätsprinzip.
Die Schwellenwerte für „reduzierte Pflichten“ seien zudem viel zu niedrig: Schon 5000 aktive Nutzer:innen im Monat reichten künftig, um erfasst zu werden – womit auch Open-Source-Projekte und Non-Profit-Plattformen betroffen wären.
Was droht der Schweiz?
Sollten Anbieter wie Proton oder Threema die Schweiz verlassen, hätte das nicht nur wirtschaftliche Folgen. Auch die digitale Souveränität der Nutzer:innen wäre bedroht. Verschlüsselte, datensparsame Kommunikationsdienste könnten verschwinden – und damit das Vertrauen in den Standort Schweiz und seine Rechtsstaatlichkeit leiden.
Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob solche Überwachungsmassnahmen tatsächlich mit den Schweizer Grundrechten und Datenschutzprinzipien vereinbar sind – oder ob hier aus Sicherheitsinteresse weit über das Ziel hinausgeschossen wird.
Fazit: Zwischen Sicherheit und Freiheit – wohin steuert der Bundesrat?
Die geplante Revision der Überwachungsverordnung trifft auf massive Kritik – und das zu Recht. Mit der Neuregelung droht nicht nur der Verlust von Innovation und Vertrauen, sondern auch ein gravierender Eingriff in die digitale Privatsphäre. Die kommenden Monate dürften zeigen, ob der Bundesrat die Bedenken aufnimmt – oder auf Konfrontation mit der Branche und der Zivilgesellschaft setzt.
Wie stehst du zur geplanten Überwachungsreform?
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