Digitale Patientenakte gestoppt: Uri setzt Zeichen gegen das EPD

Kevin Kyburz
31. März 2025
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Das Elektronische Patientendossier (EPD) sollte in der Schweiz die Qualität der medizinischen Versorgung verbessern und die Effizienz des Gesundheitssystems steigern. Doch die Umsetzung gestaltet sich schwierig. Ein aktuelles Beispiel ist der Kanton Uri, der seine Unterstützung für das EPD vorerst eingestellt hat. Dieser Schritt wirft ein Schlaglicht auf die technischen und politischen Herausforderungen, mit denen das EPD in der gesamten Schweiz konfrontiert ist.

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Hintergrund: Das Elektronische Patientendossier in der Schweiz

Das EPD wurde mit dem Ziel eingeführt, Patientendaten digital zu bündeln und den Austausch zwischen Gesundheitsdienstleistern zu erleichtern. Das Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier (EPDG) trat am 15. April 2017 in Kraft und legte den rechtlichen Rahmen für die Einführung und Verbreitung des EPD fest. Krankenhäuser waren verpflichtet, bis Mitte April 2020 auf EPDs umzustellen, Pflegeheime bis Mitte April 2022.

Entscheidung des Kantons Uri

Der Kanton Uri hat beschlossen, seine Unterstützung für das EPD vorerst einzustellen. Die Gründe hierfür sind vielfältig:

  • Geringe Nachfrage: Bisher sei das Interesse am EPD im Kanton Uri sehr gering, was den Bedarf an aktiver Unterstützung infrage stellt.
  • Kritik von Gesundheitsfachpersonen: Viele Fachleute und Institutionen äussern Bedenken hinsichtlich struktureller und funktionaler Schwächen des EPD.
  • Finanzielle Überlegungen: Angesichts der angespannten Finanzlage des Kantons sollen derzeit keine zusätzlichen Mittel in die Einführung des EPD investiert werden.

Die Kantonsregierung plant, die bevorstehende Revision des Bundesgesetzes über das elektronische Patientendossier (EPDG) abzuwarten, bevor weitere Schritte unternommen werden.

Technische Herausforderungen des EPD

Die Implementierung des EPD ist mit erheblichen technischen Hürden verbunden:

  • Interoperabilität: Die verschiedenen IT-Systeme der Gesundheitsdienstleister müssen kompatibel sein, um einen reibungslosen Datenaustausch zu gewährleisten. Dies erfordert standardisierte Schnittstellen und Formate, was in der Praxis oft schwer umzusetzen ist.
  • Datensicherheit: Gesundheitsdaten sind besonders sensibel. Die Sicherstellung eines hohen Datenschutzniveaus und der Schutz vor Cyberangriffen sind essenziell. Trotz hoher Sicherheitsstandards kann eine vollständige Sicherheit nie garantiert werden.
  • Benutzerfreundlichkeit: Für Gesundheitsfachpersonen und Patienten muss das System intuitiv bedienbar sein. Komplexe Benutzeroberflächen oder umständliche Prozesse können die Akzeptanz und Nutzung des EPD beeinträchtigen.
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Politische Dimensionen und kantonale Unterschiede

Die Einführung des EPD ist nicht nur eine technische, sondern auch eine politische Herausforderung. Die Schweiz, mit ihrem föderalistischen System, überlässt es den Kantonen, die Umsetzung des EPD eigenständig zu gestalten. Dies führt zu unterschiedlichen Fortschritten und Strategien:

  • Kantonale Eigenheiten: Während einige Kantone wie Genf und Wallis bereits früh Pilotprojekte gestartet haben, zögern andere aufgrund von Bedenken oder Ressourcenmangel.
  • Finanzierung: Die Kosten für die Implementierung und den Betrieb des EPD sind erheblich. Kantone müssen entscheiden, wie viel sie investieren können und wollen, insbesondere wenn der Nutzen noch nicht klar ersichtlich ist.
  • Gesetzliche Anpassungen: Der Bundesrat hat im Sommer 2023 eine umfassende Revision des EPDG in die Vernehmlassung geschickt. Ziel ist es, die Rollen von Bund und Kantonen klarer zu definieren und die Finanzierung sicherzustellen. Zudem sind Massnahmen wie eine Anschlusspflicht für alle Leistungserbringer und ein Opt-Out-Modell für die EPD-Eröffnungen vorgesehen.

Erfahrungen anderer Kantone

Einige Kantone haben bereits Erfahrungen mit der Einführung des EPD gesammelt:

  • Westschweiz: Seit dem 31. Mai 2021 können Patientinnen und Patienten in den Kantonen Genf, Wallis, Waadt, Freiburg und Jura ein elektronisches Patientendossier eröffnen.
  • Universitätsspital Genf: Das Universitätsspital Genf verfügt über langjährige Erfahrung mit einem elektronischen Patientendossier – dem «MonDossierMedical.ch». Seit Oktober 2021 überträgt das Universitätsspital die entsprechenden Daten auf das vom Bund zertifizierte EPD von CARA.

Diese Beispiele zeigen, dass die Umsetzung des EPD regional unterschiedlich voranschreitet und von verschiedenen Faktoren abhängt.

Zukunftsperspektiven und Lösungsansätze

Um das EPD schweizweit erfolgreich zu etablieren, sind folgende Schritte denkbar:

  • Standardisierung: Einheitliche technische Standards und Schnittstellen können die Interoperabilität verbessern und den Implementierungsaufwand reduzieren.
  • Schulung und Information: Gesundheitsfachpersonen und Patienten sollten umfassend über die Vorteile und die Nutzung des EPD informiert und geschult werden, um die Akzeptanz zu erhöhen.
  • Finanzielle Unterstützung: Bund und Kantone könnten gemeinsam Finanzierungsmodelle entwickeln, um die Implementierungskosten zu teilen und kleinere Kantone zu entlasten.
  • Flexibilität: Ein modularer Aufbau des EPD könnte es ermöglichen, dass Kantone und Institutionen schrittweise Funktionen hinzufügen und anpassen, je nach ihren spezifischen Bedürfnissen und Ressourcen.

Written by
Kevin Kyburz

Geschrieben von Kevin Kyburz

Kevin Kyburz ist seit einem Jahrzehnt als Blogger unterwegs und darf seine Meinung zu aktuellen Tech-Themen auch mal im Radio oder in Tageszeitungen unterbringen. Als ehemaliger Kolumnist für eine grosse Pendlerzeitung hat er ein Gespür für technische Fragen von Lesern entwickelt und versucht diese so gut wie möglich zu klären. Wenn er nicht gerade mit Technik beschäftigt ist, widmet er sich der Natur und der Fotografie.

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