Künstliche Intelligenz greift nach einem der grössten medizinischen Probleme unserer Zeit: multiresistente Keime. Ein australisches Forschungsteam hat nun erstmals ein künstlich designtes Protein vorgestellt, das gezielt gegen resistente E.-coli-Bakterien wirkt – entworfen von einer KI, hergestellt im Labor, getestet mit realem Erfolg. Der Durchbruch könnte neue Wege im Kampf gegen sogenannte „Superbugs“ eröffnen. Doch er kommt mit offenen Fragen.
Von der Idee zum Molekül – in Sekunden statt Jahren
Proteine galten lange als zu komplex für maschinelles Design. Doch neue Plattformen verändern das Spiel: An der Monash University und dem Bio21 Institute in Melbourne entwickelte ein Team um Dr. Rhys Grinter eine KI-gestützte Software, die gezielt neue Wirkstoffe entwerfen kann – ohne biologische Vorbilder, aber mit klarer Funktion.
Das Ergebnis: Ein von Grund auf neu entworfenes Protein, das eine bestimmte Eisenaufnahme-Stelle auf der Oberfläche von E. coli blockiert. Ohne Eisen kann das Bakterium nicht überleben. Das Protein entstand vollständig am Computer – mithilfe von Open-Source-Tools wie Bindcraft und Chai, die auch anderen Forschern offenstehen. „Wir wollen das Design demokratisieren“, sagt Mitentwickler Daniel Fox.
Laboreffekt mit Potenzial – klinische Wirkung noch unklar
Das KI-Protein wurde zunächst an fluoreszierenden Bakterien getestet: Sobald das Protein band, veränderte sich deren Leuchtverhalten – ein klares Signal für Zielerkennung. Dieser Ansatz könnte nicht nur zur Behandlung, sondern auch zur Diagnose genutzt werden, etwa durch Marker für gefährliche Keime. Das Projekt orientiert sich am bekannten „de novo“-Prinzip des US-Forschers David Baker: Statt natürliche Proteine zu verändern, werden neue Moleküle am Reissbrett entworfen.
Trotz der Euphorie bleibt Skepsis angebracht. Noch fehlen klinische Studien zur Wirksamkeit im menschlichen Körper. Stabilität, Sicherheit, Immunreaktionen – all das muss erst erforscht werden. Und: Der offene Zugang zu leistungsfähigen Design-Tools birgt auch Risiken, etwa durch möglichen Missbrauch in der Biotechnologie.
Medizinischer Meilenstein – oder gefährliches Werkzeug?
Resistente Keime gehören laut WHO zu den grössten Bedrohungen der globalen Gesundheit. Neue Antibiotika sind rar, bekannte Wirkstoffe verlieren an Kraft. In dieser Lage eröffnet KI-gestütztes Protein-Design eine neue Perspektive: schnell, präzise, skalierbar. Australien reiht sich mit diesem Projekt in die Vorreiter-Nationen ein – mit dem klaren Ziel, KI nicht nur als Analysewerkzeug, sondern als Molekülarchitekt einzusetzen.
Die Plattform ist ambitioniert, die Ergebnisse vielversprechend – doch bis zum echten Medikament ist es ein weiter Weg. Der Forschungsbericht wurde vorerst auf bioRxiv veröffentlicht und steht zur Diskussion in der Fachwelt.
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